Viz und Fizz
Dolphin Address 9 - 2003
Juli 2003
'Viz' (Taucherredensart für Sichtweite im Wasser) und 'fizz' (für kohlensäurehaltiges Erfrischungsgetränk)
Aus Bequemlichkeit nannte ich es immer die "Salzmauer", aber das ist Quatsch.
Auf der einen Seite der Mauer ist es gerade so salzig wie auf der anderen. Wenn man genauer hinschaut, bemerkt man unzählige, winzig kleine Bläschen, die in dichten Wolken undurchdringlich für das Auge sind.
Es ist ein Phänomen, das sich bei auflaufender Flut bis in 4 Meter Tiefe beobachten läßt. Weil es fast wie Sprudelwasser aussieht, nenne ich es "fizz".
Es könnte lediglich aufgeschäumtes Wasser sein, aber wahrscheinlich sind Temperaturdifferenzen dafür verantwortlich. Je tiefer man kommt, desto dünner die Blasendecke. Das erwärmte, nicht von den Gezeiten erfrischte Wasser, scheint vom kälteren, zuströmenden Wasser an die Küste getrieben zu werden.
Foto: Verena Schwalm
In der "fizz" hat man also wenig "viz", in tieferem Wasser taucht man einfach darunter durch.
Dusty war heute ungewöhnlich zurückgezogen. Meist begegnet sie mir mit einem flotten: 'Hallo, pretty boy. Wohin geht’s mit deiner hübschen Flosse'. Jetzt kam sie eher scheu daher und ließ sich anfangs nur passiv streicheln. Als ich dann mit ihr schwamm und tauchte, kamen wir in Körpersprache.
Dusty hatte etwas herausgefunden, um die Beschränkungen durch die 'fizzviz' zu umgehen. Sie schwimmt ja oft unter mir, den Bauch mir zugedreht, aber diesmal tat sie es mit System. Ob sie an der Oberfläche schwamm oder unten auf mich wartete, sie wandte mir immer ihren weißen Bauch zu, damit ich sie besser sehen konnte.
Daß sie sich der Effekte ihrer Manöver sehr wohl bewußt war, konnte ich aus ihrem Verhalten anderen gegenüber erkennen.
Einer der Teilnehmer heute Nachmittag heißt Ken, und er fährt ein Kanu. Da er schon mehrere Male Interaktionen zwischen Dusty und mir unterbrochen hatte, hat er von mir mittlerweile den Namen 'Kenuisance' (nuisance=lästiger Mensch) verpaßt bekommen.
Ein schnelles Kanu ist für Dusty sehr verlockend, aber immer wenn sie zurückkam in meine 'viz', sah ich sie jedesmal mir den Bauch zudrehen.
Letzte Woche sah ich ein Gespenst, das Gespenst der Vollkommenheit. Ich dachte, ich hätte alles schon gesehen. Und jetzt, das erste Mal nach einer Woche, gehe ich ins Wasser und bemerke, daß ich nur zu schauen brauche, es ist alles da.
Jan Ploeg, Juli 2003
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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