Dusty, Wundersames Wesen
Dolphin Address 3 - 2003
20 Juni 2003
Mir ist es beinahe unmöglich, ein Treffen mit Dusty in Worte zu fassen.
Sie scheint sehr oft die Personen, mit denen sie schwimmt, zu spiegeln, weswegen jeder ein ganz eigenes Erlebnis mit ihr haben kann.
Auch sie hat ihre Launen und unterschiedliche Gemütszustände, so daß niemals ein Tag wie der andere verläuft.
Ihre ausgeprägte Körpersprache könnte uns einen Ansatzpunkt für eine Analyse bieten, jedoch findet man sich schnell einer solch unbeschreiblichen Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten gegenübergestellt, daß eine Einordnung in wieder erkennbare, für sie typische Verhaltensmuster doch meistens die Ansichten der Beobachter reflektiert.
Es ist die jeweilige Interaktion, die uns so sehr erfüllt, von Momenten der Besinnung bis zu Momenten extatischer Freude.
Heute z.B. war sie wesentlich aufgeregter als ich sie je zuvor erlebt habe. Permanent gab sie beep - Töne von sich, die gepaart waren mit einer Art brummigem Grollen und übermäßiger Echo - Aussendung.
Als ich dieses Jahr das erste Mal mit ihr schwamm, machte sie einen überwältigenden Sprung aus dem Wasser. Ihr Körper war vollständig in der Luft. War das ein Willkommensgruß?
Das nächste Mal kam sie mehrere Male auf Armlänge heran und ließ sich mit den Fingern streicheln.
Letztes Jahr habe ich einige Arten ihrer Annäherung an Menschen katalogisiert, wobei ich als Methode ein Vergleich mit sich selbst heranzog. Näheres dazu in Dolphin Address 8, 2002.
Dieses Mal möchte ich mehr darauf achten, wie sie sich speziell mir gegenüber verhält. Wenn man nichts durch Unterschiede lernen kann, dann können sie vielleicht bei der Beschreibung behilflich sein.
Normalerweise lädt sie mich zum Tauchen ein, in dem sie sich direkt unter mir auf den Meeresboden legt. Manchmal ist es eine große Herausforderung ihr so schnell nach unten zu folgen.
Gestern ist sie jedesmal urplötzlich im trüben Wasser verschwunden, wenn ich herunter tauchte, nur um dann nach einer kurzen Runde genauso unerwartet wieder zu erscheinen.
Außer wenn ich mal längere Strecken schwimme, so wie von Pollenawatch zum Monkey Rock oder entgegengesetzt, ist sie eigentlich nur periodisch anwesend. Die Zeitspannen variieren hier sehr, so daß die einzige Gemeinsamkeit zu sein scheint, daß sie sich Zeit nimmt, " ihr Näschen zu pudern".
Neben der Tatsache, daß sie ein weibliches Geschöpf ist, ist sie auch eine wahre Darstellungskünstlerin: je öfter sie sich von dir trennt, desto öfter kann sie ihr come-back zelebrieren. Ich nenne das den "Anna-Effekt" nach einer gleichnamigen B&B Eignerin, die nach dem selben Prinzip lebt.
'Hurrah, seit ihr nicht sehr froh, mich wieder zu sehen?'
Manches wird verständlicher, wenn man es aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Ein Vergleich mit diesem keltischen Knoten auf meinem T-Shirt kommt mir in den Sinn. Dieser Knoten scheint eine Flugbahn zu sein, Entfernung darzustellen, sich in komplizierten Bahnen zu wiederholen, in großer Komplexität, Dreidimensionalität und dennoch mit Anfang und Ende, aber trotzdem ein unfaßbares Mysterium.
Auch wenn das Schwimmen mit Dusty nicht immer das emotionale Wunder ist, wie bei den ersten Malen, so schafft sie es dennoch jedesmal, mich in den Moment zu holen.
Manche Schwimmer mögen es, wenn sie ihnen Plastikbeutel sammelt. Ich betrachte sie als gleichgestellt und finde das nicht passend.
Einmal brachte sie mir von selbst eine Tau-Alge mit Wurzel und danach eine doppelstämmige Kelp-Alge. Keine Ahnung, ob sie dafür vielleicht was zurück erwartet hat. Die gegenseitige Versorgung und Verteilung von Gütern hat bei den Naturvölkern einen großen Stellenwert. Oder war das nur wieder eine neue List, an meine Monoflosse heranzukommen?
Es ist kein Wunder, daß MarMam, eine newsgroup für Marine - Biologen nichts über zutrauliche, wild lebende Delphine veröffentlichen will. Sie sind schwer zu durchschauen.
Jan Ploeg, 20 Juni 2003
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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