Dolphin Address 28
15. Juli 2005
Es hat sich nicht nur der geographische Aufenthaltsort von Dusty verändert. Die Boathouse Bay bietet auch mehr Schutz als das Inlett von Pollenawatch.
Mit fast der Hälfte ihrer Gesamtheit umarmt die High Tide Insel die Bucht, deren vordere 20 Meter leider ein Bisschen foul sind. Der Boden ist bei Tiefen bis zu ungefähr 3 Metern von toten Algen bedeckt und Süßwasser, das sich langsam mit der oberen Wasserschicht mixt, verursacht eine vaselineartig schlierige Sicht und stinkt.
Dusty hat uns einige Male bis zum Einstieg begleitet, aber es ist offensichtlich, dass sie sich nicht gerne dort aufhält. Sie trifft Schwimmer meist hundert Meter weiter am Jump- and Dive Felsen, aber sie liebt es auch, ganz weit abseits an der Peripherie zu sein. Das Wasser dort draußen ist wesentlich klarer aber auch deutlich kälter. Die High Tide Insel zieht sich noch weiter hinaus in den Ozean, insbesondere mit Satellitenfelsen, die dann teilweise oder in Gänze untergetaucht sind. Die Wellenbildung wird nicht wie bei Pollenawatch durch die Aran Islands gebremst, sondern direkt vom Ozean gespeist. Die weit entfernten Riffe leiten tonnenweise Wasser mit enormen Kronen entlang des gezackten Horizontes.
Den wichtigsten Unterschied stellt allerdings die Tiefe dar. Die High Tide Insel besitzt steile Wände, die oft direkt senkrecht nach unten laufen. Der Boden bildet sich aus ungleichmäßig mit Kelp bewachsenem Fels und dazwischen gelagerten, sandigen Bereichen in bis zu 10 Metern Tiefe. Das gibt viel Raum für die Delphinin, sich zu bewegen. Den meisten Schwimmern, die kaum unter die Oberfläche gehen, fällt das kaum auf, aber für Tieftaucher ist diese Dimension eine unwiderstehliche Herausforderung. In diesen Tiefen kann Dusty mich mit ihrem Sonar viel besser erfassen als an der Oberfläche, und sie zieht es ganz klar vor. Manchmal muß ich zweimal kompensieren, um den Boden erreichen zu können, aber meist werde ich dafür durch ihre Anwesenheit belohnt.
Aus obskuren Gründen kann Verena nicht kompensieren, aber nichtsdestoweniger kann sie auf drei Meter gehen. So können wir glücklicherweise von uns behaupten, von Dusty sehr viel Beachtung zu bekommen. Früher, in Pollenawatch, hatte man nur drei Meter Spielraum, abgesehen mal vom Hochwasser oder sehr weit draußen. Deshalb waren die Manöver mit Dusty meist auf die Horizontale limitiert. In der Boathouse Bay konnten diese maßgeblich intensiviert werden.
Wenn sie dort unten zu mir kommt, tauchen wir oft Gesicht an Gesicht wieder auf, manchmal in einer Spirale. Dann schwimme ich nicht, denn das kostet Atem, sondern ich steuere nur mit dem WaterWing. Oft beobachtet sie mich mit Neugier, manchmal aber schließt sie ihre Augen wie in Meditation. Es ist ein wundervoller Anblick, ihre Eleganz strahlt so viel Frieden und Vertrauen aus in dieser schwerelosen Unendlichkeit. Manchmal lässt sie mich ihr Kinn streicheln, und oft brechen wir die Oberfläche zur selben Zeit. Und es fühlt sich so gut an, solch ein Wesen, das mir einen Teil ihres Lebens schenkt. Wir sind dabei, eine neue Körpersprache zu entwickeln. Sie fühlt sich deutlich weniger eingeklemmt zwischen Oberfläche und Boden und gibt mir den Mut und die Kraft, um diese anstrengenden Tauchgänge zu machen. Unsere Schwimmbewegungen sind langsamer und vorsichtiger als in Pollenawatch aber nicht nur weil ich meine Kraft aufteilen muß. Es ist speziell das Abenteuer der Dritten Dimension, das die Zeit so zerstreut; und sie passt sich so wunderbar meinen Beschränkungen an.
Meist versuche ich, meinen Aufstieg so einzurichten, dass ich dicht bei Verena auftauche, die hoch über mir mit ihrem Körper den Saiten der Sonne die schönsten Muster entlockt. Dann übernimmt sie Dusty in einem Sprint, einem flachen Gleiten oder einer liebevollen Umarmung. Es wird höchste Zeit, dass wir das bestellte Unterwassergehäuse für den Camcorder bekommen, denn was hier passiert, kann man nirgendwo anders sehen.
Jan Ploeg, Wiese Fanore, 15. Juli 2005
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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