Wo Kuehe wandern
Dolphin Address 28
26. October, 2004
Wenn mich nicht gerade die Sonne ueber den Grad des Moneen mountain hinweg blendet, dann kann ich in der Ferne weichere, sich bewegende Konturen ausmachen. Meist ziemlich dicht beieinander, aber es gibt auch den gelegentlichen Abtruennigen. Sie scheinen ueber blankes Gestein zu bewegen. Was kann so appetitlich sein, dass sie sich den ganzen Weg hinauf zum Gipfel schleppen?
Gestern ueberquerten wir die fruehlingsgruene Wiese, um in ein weissdornbewachsenes Tal einzutauchen. Wo die langen, spitzen Dornen den Durchgang verwehrten, folgten wir ausgetretenen Viehspuren, die sich nur allzu oft zu matschigen Durchgaengen verschmaelerten.
Wir erreichten eine dornenuebewehrte Steinmauer, die uns auf der Suche nach einer Luecke die Richtung vorgab. Wir krochen unter Zweigen hindurch und stolperten ueber Brombeerranken bis wir endlich ins Freie fanden.
Das Gruen hatte sich drastisch vermindert und mixte sich mit dem rostigen Braun vergangener Farne. An seine Stelle trat hier eine chaotische Ansammlung von Kalksteintruemmern, die sich ueber den unteren Teil des Hanges gehaeuft hatte.
Auf losem Gestein zu laufen ist etwas knifflig, so dass wir so oft wie moeglich versuchten, mit unserem Fuss Halt auf einem groesseren Brocken zu finden. Verena, deren Herz in den Bergen lebt, schien der Schwerkraft zu trotzen, denn sie flog leichten Schrittes den Berg hinauf. Ich gab meinem Konkurrenzinstinkt nicht nach, gut beraten durch meinen Herzschlag. Ich drehte mich lieber um und genoss, waehrend ich mich erholte, die unschlagbar schoene Aussicht.
Einige grob rund geschliffene Riesen lagen verloren, zurueckgelassen auf dem Weg der Gletscher.
Als wir das lose Geroell ueberwunden hatten, konnten wir einen genaueren Blick auf die Struktur des Berges werfen. Wind und Regen hatten ihre vielseitigen Fantasien zu absonderliche Pracht geschnitten. Aehnlichkeit im Aussehen suggeriert Gesetzmaessigkeit und verfuehrt die eigene Vorstellungskraft, sich Erklaerungen zurechtzulegen. Der Berg stieg in steileren Schritten auf. Wir kuemmerten uns nun nicht mehr um Viehpfade, sondern klommen mit Haenden und Fuessen. Jeder neue Level beschenkte uns mit Ueberraschungen. Es gab gemuetliche, geschuetzte Buchten, grassueberwachsen und selbst noch mit Blueten, die gekroent wurden von robusten alten Baeumen. Auch gab es Steinebenen, flach und wie poliert durch den Wind, geteilt durch tiefe Spalten.
Der Wind wuchs von einem freundlichen Klopfen auf den Schultern zu einem unaufhörlichen Schneiden im Gesicht an. Noch nicht einmal am Gipfel angekommen, war die Sonne nur noch 2 Stunden ueber dem Horizont. Wir beliessen es also dabei und machten uns an den Abstieg. Es ist sicherlich weniger anstrengend abzusteigen aber auch gefaehrlicher. Wenn man hinaufklettert, gehen die Augen voran und die Fuesse muessen nur folgen. Auf dem Weg herunter jedoch, muessen die Fuesse ihren eigenen Weg finden, vergleichsweise schlecht unterstuetzt durch die Augen. In manchen Bereichen barg der geroellbedeckte Hang einige versteckte Schrecken. Als ich auf eine grosse flache Platte trat, loeste sie sich vom Grund und liess mich eine Sekunden surfen. Wir kamen schliesslich sicher unten an und fingen das Gluehen der sich senkenden Sonne ein.
Es gibt ein eigenartiges Gleichgewicht zwischen Hunger und Appetit. Ich kann immer noch nicht erkennen, ob das Gourmet-Kuehe waren oder ob sie der blanke Hunger dorthin trieb.
Jan Ploeg, Killohill, October 26th 2004
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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