Dolphin Address 27
08. Juli 2005
In der Ferne reckt sich eine graue See einem klar definierten Horizont entgegen. Wir fragen uns, wo sie sich wohl am liebsten aufhalten würde. Wellen, die zur Küste gehastet waren, leuchten in Emerald und eine einzelne Seemöwe lässt ihr Gefieder in Begleitung eines empörten Lachens aufblitzen. Da muß es wohl eine Million Schattierungen von Blau unter den Wellen geben.
Die weit entfernten Berge auf der gegenüberliegenden Seite der Galway Bay erheben sich in märchenhaften blau-lila Profilen.
Der Schaum des gestrigen Tobens ist vom Landwind verteilt worden. All dieses, von Wiesen gesäumt, fühlt sich mehr an wie zu Hause denn irgendwo anders. Wir haben Schutz vor einer brennenden und verwirrenden Bretagne gesucht und fanden hier unseren Frieden; die Magie Irlands in einer neuen Definition.
Und die Götter sind uns gnädig, denn Dusty ist zur Boathouse Bay zurückgekehrt.
Das Erste was ich von ihr sah, war in Gesellschaft von Kindern. Sie weilte in ihrer Mitte und wurde liebevoll gestreichelt. Ein Junge legte seinen Kopf auf sie, mit einem Lächeln, das hätte ihr eigenes sein können. Da ich einen Mulmigen-Magen-Tag hatte, beschränkte ich mich darauf, mit der neuen Kamera Fotos zu machen. Sie hat über 1200 Megapixel, und als wir die Aufnahmen auf das laptop gedownloaded und in Ausschnittvergrößerungen angeschaut hatten, offenbarten sich bemerkenswerte Details. Das Wasser, das den Delphin umgibt, zeigt Phänomene, die direkt mit der Stromlinienform ihres Körpers und der wasserabweisenden Oberfläche ihrer Haut zusammenhängen.
Die Rückenflosse auf dem Foto nimmt eine sehr dünne Schicht Wasseroberfläche und faltet sie ordentlich rückwärts, so dass keine Strudel den Fluß behindern und die Luft eingeschlossen wird, um einer schnellen Passage Rechnung zu tragen. Die Kamera friert detailgenau ein, was eigentlich passiert und bringt zum Vorschein, wie mühelos und elegant der muskulöse und kompakte Körper des Delphins sich in seinem vorgegebenen Rahmen bewegt.
Im Fotoalbum findest Du mehr dieser intimen Beobachtungen. So auch das Bild, das zeigt, wie Wasser mit solch großer Geschwindigkeit vom Körper des Delphins abfließt, dass es beim Auftreffen auf die umgebende Wasserschicht dort eine Vertiefung verursacht. Es sieht fast so aus, als würde das Wasser als Organ eigener Qualität behandelt, als angenehme Decke übergeworfen oder in einer schnellen Bewegung abgestreift werden.
Wir sind völlig von den Socken über die Aussagekraft eines einzigen Blinzelns des Kameraauges. Diese Aufnahmen wurden angeleitet und tatkräftig sowie passioniert unterstützt durch Verenas Observationskraft und ihr fundiertes Verständnis digitaler Bearbeitung. Diese Schüsse zur rechten Zeit benötigen viele Stunden der Auswahl und Bearbeitung, bevor wir die Schätze, die sie verbergen, gehoben haben und sie bereitstellen können. Seit einiger Zeit schon gedeiht diese Webseite mithilfe Verenas input, dazu gehören die Übersetzungen der Dolphin Addresses ins Deutsche, die zunehmende Unterstützung bei Computerfragen aller Art sowie, seit mehr als einem Jahr, die vielen anonymen Fotos, ein Ergebnis ihres immer jagenden Auges. Ich fühle mich wie in der besten aller möglichen Welten, die sich mehr und mehr Details entlocken läßt und dadurch Verständnis generiert. Jetzt gerade sind wir gefangen in unserem winzigen Heim, dem roten VW Bus, der in einem unnachgiebigen Nieselregensturm hin- und hergeschaukelt wird, aber innen drinnen warten die hart erarbeiteten Juwelen darauf, mit dem Sonnenschein online zu gehen.
Jan Ploeg, Wiese Fanore, 08. Juli 2005
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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