Schiefe Haeuser
Dolphin Address 8
8. August, 2004
In Holland wird kein Gedanke daran verschwendet. Ueberall ist es von Natur aus flach, mal abgesehen von Deichen und einigen wenigen kleinen Huegeln. Der Hinweg gleicht dem Rueckweg. Selbst der Wind kommt einem immer entgegen.
Hier ist das alles ein wenig anders. Auf einer Strasse zu laufen ist, selbst wenn es auf und ab geht, wirklich Luxus verglichen mit einem Spaziergang in der Natur. Diese ist gezeichnet durch viele verstreut liegende Steine und Felsbrocken. Da man ein Hindernis auch als Herausforderung betrachten kann, laufe ich gerne an der See entlang. Manche Gesteinsbrocken sind wackelig, andere sehr glitschig, aber den meisten kann man trauen und sie als naechste Trittsteine benutzen.
Langsam zu laufen und noch dabei in der Gegend herumzuschauen ist hier nicht zu empfehlen. Durch einen gleichmaessigen Schritt erzeugt man eine Art Fliehkrafteffekt, der einen stabilisiert. Man bringt sein Koerpergewicht in eine Bewegungsbahn, was einen bestimmten Anteil an Abweichung kompensiert. Die Felslagen fallen nicht nur treppenartig zum Meer hin ab, sie liegen auch noch schraeg nach unten und sind verstreut bedeckt mit Haufen von Steinen, die, bald so hoch gestapelt wie ein Fahrradverschlag, eine Menge Kletteranstrengung in der dritten Dimension erfordern. Da einige dieser Brocken rasiermesserscharfe Kanten haben, trage ich Arbeitshandschuhe.
In dieser Welt braucht man einen guten Sinn fuer Balance und ein verfeinertes Gefuehl fuer die Horizontale, damit der Bus nicht im Gefaelle parkt wird, und man am naechsten Tag nicht an die Seitenwand gedrueckt oder mit zerreissenden Kopfschmerezen aufwacht. Gluecklicherweise ist die See immer horizontal.
Aus der Balance kann man jedoch kommen. Normalerweise kann das durch Arm- oder Rumpfbewegungen ausgelichen werden, aber manchmal packt es einen richtig. Wenn in rauher See die Augen den sich bewegenden Kelp fixieren, faengt ploetzlich der Seeboden an, sich vor und zurueckzubewegen.
Vor kurzem wurde ich einer ganz anderen Sinnestaeuschung gewahr. Von Fanore aus kann man nach Lisdoonverna die Kuestenstrasse nehmen, aber es gibt auch eine kleine Strasse ueber den Slieve Elva. Insbesondere wenn das Wetter schoen ist, nehmen wir wegen der guten Aussicht gerne diesen Weg. Auf dem Hinweg sieht das schon ganz eigenartig aus, aber wenn man dann zurueckkommt, scheinen alle Haeuser schief zu sein. Und das nicht zu knapp. Ich kann mir vorstellen, dass mein hollaendisches Gefuehl fuer Gleichgewicht gestoert ist, aber dann sollte man auch auf den Fotos nichts bemerken. Urteilen Sie selbst.
Eine weniger interessante aber haeufig vorkommende Stoerung des Gleichgewichts wird von Guinness verursacht.
Jan Ploeg, Meadow Fanore, August 8th 2004
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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