Dolphin Address 4
3. Februar 2005
In der vorangegangenen Episode beschrieb ich die Dorn Methode als bemerkenswerte Verbesserung der Pflege, die ich über viele Jahre mit Hilfe von Monoflosse und Wasserflügel meiner Wirbelsäule zukommen ließ. Gerade für einen Augenblick sah es so aus, als ob das jetzt auch automatisiert werden könnte.
Gestern hatte ich Besorgungen zu machen, und zufälligerweise fiel mein Blick auf einen, bis auf die Knochen nackten Humanoiden, der in einem Schaufenster hing. Da ich in den letzten Wochen reichlich Bekanntschaft mit Wirbelsäulen gemacht hatte, war meine Aufmerksamkeit sofort gespitzt. Dieses Exemplar machte Werbung für ein offensichtliches high-tech Bett mit eingebauter Massagefunktion. Ein koreanischer Herr meinte, ich würde wohl meine Nase am Glas platt drücken, öffnete die Tür und bat mich herein. Ich lehnte mit hausgemachter asiatischer Freundlichkeit ab und beschränkte mich darauf, die Faltblattversion mitzunehmen.
Denselben Abend erzählte Verena, dass ihre Mutter ihr über diese Massage-Methode berichtet hätte, und dass jeder Besucher, der dort mit einer Decke und einem Laken ankam, eine kostenlose Massage von 40 Minuten bekäme. Nur, dass sie die Adresse nicht mehr wusste. Die hatten wir jetzt also.
Über mangelnde Neugier können wir wirklich nicht klagen, so dass wir schon am nächsten Tag den bereits überfüllten Raum betraten, der sich in einen Sitzplatzbereich zu Informationszwecken und eine Art Nothospitalbereich zur Massage teilte. Nachdem wir eingehend mit den Vorteilen dieser Maschine geimpft und wiederholt zu enthusiastischem Applaus mit anschließendem Singen des Firmennamens genötigt worden waren, durften wir 40 uns nun hinlegen.
Vielleicht waren meine Erwartungen einfach zu hoch. Eine Zusammenstellung von Jadekugeln würde mir Akupressur geben, durch heilende Wärme die Muskeln dehnen, meine Wirbelsäule entknoten und, verwundern würde es mich nicht, zu besserem Sex führen würde.
Nachdem ich mich hingelegt hatte, wurde ich durch eine koreanische Frau aufgefordert, den Start-Knopf zu drücken. Das war mir sehr suspekt. Eine Art erhitzter Rollwagen startete daraufhin in alarmierender Art und Weise in meinen Rücken zu fahren. Sofort war ich in Gedanken zurück auf dem Massagestuhl im dritten Stock des Buchgiganten Easons in Dublin. Vor einigen Jahren konnte ich mich dort des schlimmsten Teils des Schmerzes entledigen. Aber dort saß ich fast aufrecht, die Kraft kam von den Seiten und es gab genug Fluchtmöglichkeiten. Jetzt wurde mein gesamtes Körpergewicht auf diesen Quälblock gedrückt. Die gerade Bewegungsrichtung, die den Jadeblock unter meinem Rücken entlangbulldozern ließ, stand in nervenaufreibendem Gegensatz zu den mit sanften Fingern ausgeführten Abtastungen kleinster Abweichungen einer, weit vom geraden Zustand entfernten Wirbelsäule, wie es bei Dorn durchgeführt wird. Ich musste an die überschwängliche Propagandistin denken, die uns kurz zuvor durch eine Anekdote erzählt hatte, dass es am besten wäre, sich jeden Tag auf dieses Ding zu legen; ein Pärchen hatte sich sogar eine zweite Liege für ihr Wochenendhaus gekauft, nur um im Urlaub nicht ohne sein zu müssen. Das scheint einen ja abhängig zu machen!
Für die letzten 10 Minuten hatten wir uns in Bauchlage umdrehen müssen. Nicht unbedingt mit dem jugendlichen Schwung, den man erwarten sollte. Während der Bauchmassage fragte ich mich, was der Sinn des Ganzen war. Warum sollten Menschen Qualen leiden wollen für ein Resultat, dass bloß Propaganda war? Glauben die, dass es besser wirkt, wenn es weh tut? Wollen sie die Geisel ihrer eigenen Heilung sein? In diesem Fall können sie auch direkt von ihrem Bankauszug bedient werden, da diese Ill/usion ganze 2.400 Euro kostet.
Ich denke, man sollte dafür lieber Fischölaktien kaufen.
Jan Ploeg, Berlin, 3. Februar 2005
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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