Dolphin Address 10
12. März 2005
Als mein Sony Diktiergerät mir immer unverständlicher zu antworten begann, kaufte ich mir ein neues von Panasonic. Mit der möglichen, unverschämt teuren, Software, kann man sogar den aufgenommenen Text geschrieben auf den Bildschirm zaubern. Ich brauche das nicht. Die Prozedur des Herausschreibens gibt mir eher Zeit, Dinge umzuändern und Einfügungen vorzunehmen. Zusammen waren wir in der Stadt, was zu folgenden Beobachtungen führte:
Es ist gemein kalt da draußen und das veranlasst zu den verrücktesten Kopfbedeckungen: Jemand, der offenbar so sehr mit seinem Basecap verbunden ist, dass er schlichtweg eine Mütze darüber gezogen hat, eine ältere Dame mit einer Mütze, deren Strahlen sich in alle Richtungen ausstrecken, als würde sie jeden Moment zum Himmel aufsteigen; irgendwie seltam verhält es sich auch mit diesen russischen Fellkappen, die in solchen Mengen auftreten, als wären die Besatzer noch immer im Lande.
Die meisten Menschen gehen in der Sonne langsamer.
Ein Kinderwagen schleudert um die Kurve.
Auf dem Zebrastreifen kann man sich gelassen umsehen. Es gibt viele, die die Ampel beachten. Dennoch läuft hin und wieder jemand bei rot. Immer schön aufpassen.
Viele Leute sind mit Rucksack unterwegs, manchmal sogar auf der Brust, um Diebstahl vorzubeugen. Das ist eine Millionenstadt, ich kann es spüren, speziell bei älteren Leuten gibt es so eine Art provinziellen Gesichtsausdruck, ein ´Wir´ Gefühl durch das gemeinsam getragene Kreuz einer belagerten Festung.
Mit meinem Liniennetz finde ich meinen Weg durch den Untergrund Berlins. ´Einsteigen, bitte, zurückbleiben, bitte.´ Es gibt immer jemanden in meinem Abteil mit geröteten Wangen, einer tibetischen Fantasiemütze, Brillengläsern wie Marmeladenglasböden oder einem Fahrrad.
Die pfiffige alte Dame mit dem Lesezeichen bemerkt sofort mein Diktiergerät. Genauso der sportlich gekleidete ältere Herr mit seinem gelb gerauchten Schnurrbart. Für manche Menschen wird die Mauer niemals fallen. Ein Asiate liest intensiv in seinem Passport und ein türkisches Mädchen macht sich mir gegenüber unsichtbar.
In der U-Bahn hängen überall Doppelmonitore, die die Nachrichten bringen, über Kultur informieren und natürlich einen mit Werbung zudröhnen. Wenn man auf manchmal atemberaubende Graffitis aus ist, dann sollte man besser die S-Bahn nehmen. Der allermodernste U-Bahn Zug besteht nur noch aus einem einzigen, ewig langen Wagen. Man schaut durch das Innere wie entlang einer ausgedehnten, sich schwingenden Straße.
Das Buchgeschäft Hugendubel in der Schlossstrasse mutet fast wie eine Bibliothek an. In diesem Paradies für Bücherwürmer findet man viele Sitze und Couchecken, wo man alle Bücher, die man lesen will auch lesen darf.
Es gibt selbst eine Kaffee-Ecke, die belegte Brötchen, Softdrinks und einen Blick über die Schlossstrasse bietet. Ein idealer Ort, sich zu treffen.
Im Rahmen meines kleinen Spieles ´Jag den Kopf´, konnte ich heute Robert de Niro, Sophia Loren und meinen Großvater ausmachen.
So wie der Geruch von Neopren für Tauchen steht, steht der von Zeltbahnen für Camping. Bei ´Globetrotter´ gibt es einen Innen-Teich, in dem man Kanus testen darf.
Viele belebte Straßen kann man unterqueren.
Zu guter Letzt habe ich noch eine schöne Nachricht: Nach ihrer Abwesenheit während des halben Monats Dezember, wurde Dusty nun wieder gesichtet. Lest alles darüber auf
www.irishdolphins.com.
Jan Ploeg, Berlin, 12. März 2005
Übersetzung und Beratung: Verena Schwalm
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