Versteckter Burren
Dolphin Address 9, von Verena Schwalm
11. August, 2004
Der Wind hat sich gelegt. Oben in den Bergen verstehe ich jetzt, was es heisst eine Kuh zu sein. Fliegen kriechen in die Nase und Augen. Nur nicht stehenbleiben. Aber ich bin nicht hier, um zu rasen. Es ist Juli und die Bluetenpracht im Burren kennt keine Grenzen. Eine seltsame Hummel kreuzt meinen Weg, hellgelb, zwischen all den schwarzen Laestlingen eine Augenweide.
Fernab vom Rummel der Touristenplaetze, der Tourenbusse und Fuenf-Minuten-Burren-Besucher bin ich hier oben ganz fuer mich. Stille. Grillen zirpen, wenn ich mich nicht ruehre. Die Sonne schenkt uns Wesen heute all ihre Aufmerksamkeit. Fuer meine Nase war das leider schon wieder zuviel.
In der Ferne reizen mich immer wieder dunkle Flecken im karstigen Gestein. Koennte das ,meine' Hoehle sein? Ich mache mich auf, mich zu ueberzeugen und klettere tiefer und tiefer hinein in die Welt der Spalten und Hohlraeume, Klangwelten besonderer Art. Strukturen, durch Wasser geschaffen, heute jeder Winkel ein neues Habitat fuer stille Schoenheiten. Der Blutstorchschnabel leuchtet mir den Weg. Verborgen im Schatten einer Spalte lebt ein riesiger Farn, ohne Wind nutzt er die Chance sich in seiner vollen Groesse zu entfalten. Schmetterlinge tanzen und geniessen die suesse Vielfalt.
Dem Reiz in der Ferne gehorchend finde ich meinen Weg ueber glatte Platten, die sich als Sonnenbank anbieten oder als grosses Zeichenbrett und scharfkantiges Gestein, manchmal broeckelnd, nicht haltend was versprochen mit verborgenen Fussfallen aus denen Hasel oder Pimpinellenrosen wachsen. Vorsicht ist geboten. Ein falscher Schritt hier und der Knoechel ist hin. Finden wuerde mich in der Mitte des Irgendwo so schnell wohl niemand. Hin und wieder ein Adrenalinschub, doch alles geht gut.
Ich gebe mich dem hin. Hier und Jetzt ist alles prachtvoll und schoen, ein Geschenk, und ich bin dankbar in der Tiefe meines Herzens. Eins mit allem was ist.
Und ploetzlich verstellt mir dichtes Gestruepp aus Weissdorn und Hasel den Weg. Es scheint kein Durchkommen moeglich. In meiner Vorstellung kratzt es, sticht, zerreisst mir die Kleidung. Ausgeliefert stechender Undurchdringlichkeit. Es waere nicht das erste Mal, dass dieses Bild mich nicht weitergehen laesst. Aber diesmal wage ich es. Die ersten Schritte hinein, der spaltige Grund kaum noch zu sehen, schiebe ich mit Haenden und Fuessen Zweige zur Seite. Es geht bergab, obwohl das Blaetterdach von aussen gesehen eine Ebene bildet.
Und weiter bergab. Und ich tauche hinein, buecke mich und gehe gekruemmt unter den Krohnen der Haselbuesche bis ich schliesslich aufrecht stehen kann, voellig verschlungen, tief in einem Urwald aus Farnen, Moosen und wenigen Blueten. Mir verschlaegt es den Atem. Ich bin in einer anderen Welt. In einer Welt des Halbdunkels und der Feuchtigkeit und doch fuehle ich mich nicht bedroht, eher geborgen. Von aussen unsichtbar bewege ich mich zwischen glatten Staemmen, Pfaden von Tieren folgend. Ich fuehle mich unglaublich gluecklich. Habe ich doch die Angst vor dem Unbekannten ueberwunden, mich von meinen dunklen, behindernden Bildern losgeloest und so eine wunderbare Welt entdeckt.
Verena Schwalm, 11. August 2004, Fanore Wiese
Liebevolle Beratung: Jan Ploeg
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